Auch Menschlichkeit steckt an

13.04.2020
Stuttgart (D)
von Lorella Bortolamai
Kirche, Junge Erwachsene

Diese Zeit der Krise ist für keinen einfach. Was bedeuteten Kontaktsperre und Isolation in den engen vier Wänden des eigenen Zimmers für »international Studierende«? Lorella erhielt durch ihren Dienst in der Hochschulseelsorge der Universität Hohenheim (D) einen Einblick.

»International Studierende« sind weit von ihren Familien entfernt. Die Pandemie breitet sich auch in ihren Herkunftsländern aus. Sie machen sich Sorgen um ihre Eltern, Geschwister, ... und die Eltern sind besorgt um Tochter oder Sohn in Deutschland.

Durch meinen Einsatz in der Hochschulpastoral der Universität Hohenheim habe ich täglichen Kontakt mit vielen, die z. B. Agrarwissenschaft studieren. Wer aus einem anderen Land kommt, ist oft zu einem Masterstudium oder wegen einer Doktorarbeit hier. Viele haben kein Stipendium und müssen neben dem Studium z.B. in einem Supermarkt, im Lager einer großen Firma, im Labor der Universität usw. arbeiten. Von einem Tag auf den anderen war das durch die Corona-Pandemie jedoch nicht mehr möglich.

Das führte zu vielen Schwierigkeiten, aber auch zu Solidarität unter den Studierenden.

Carolina aus Mexiko sagte mir zum Beispiel: »Ich mache mir große Sorgen und weiß nicht mehr, ob ich noch weiterstudieren und meine Masterarbeit fertig schreiben soll. Ich würde jetzt am liebsten bei meiner Familie in Mexiko sein...«

Und Akena: »Ich habe den Mut verloren, weil dieser Virus überall ist, auch in meiner Heimat, im Süd-Sudan... Meine Familie ist dort, und ich bin so weit weg. Ich weiß nicht, wie ich ihnen helfen kann.«

Immaculata aus Nigeria hält sich dank eines Stipendiums über Wasser und hilft ihrer Familie: »Meine Schwester ist herzkrank. Ich bezahle von hier aus die Arztkosten... unsere Eltern sind schon vor längerer Zeit gestorben und inzwischen ist das Virus auch in unserem Land. Niemand darf auf die Straße. Meine Geschwister sind noch sehr jung und durch die Ausgangssperre haben sie kein Einkommen mehr. Ich brauche Geld für sie, damit sie etwas zu essen haben können. Es ist wirklich nicht leicht im Moment, aber ich vertraue Gott.«

Gleichzeitig ist es überraschend, welch schöne Gesten der Solidarität es gibt.

Anja, eine deutsche Studentin z.B. hat entschieden, ihr Zimmer im Wohnheim einer Inderin zur Verfügung zu stellen. »Ich habe es mir schon gedacht, dass Kavita in finanziellen Schwierigkeiten steckt. Sie hat mich gefragt, wie viel das Zimmer kostet. Ich möchte sie aber nicht zusätzlich mit der Sorge um die Miete belasten. Es freut mich, wenn sie für diese Zeit ein Zuhause haben kann. Auch die Lebensmittel, die ich dort gelassen habe, kann sie verbrauchen. Ich möchte Kavita mein Zimmer solange umsonst zur Verfügung stellen, bis die Corona-Distanz-Maßnahmen wieder aufgehoben werden.«

Von zwei anderen deutschen Studentinnen sagt die eine: »Es sind Semesterferien und ich arbeite momentan im home office. Nebenher bin ich noch in der Gemeinde tätig, um bei Einkäufen, Arztbesuchen, Apotheke, Essen auf Rädern... zu helfen«. Und die andere ergänzt: »Zwar kann ich nicht viel mit den Menschen sprechen, aber schon diese Gesten der Solidarität an sich können viel sagen. Darüber bin ich froh.«

Sich für andere einzusetzen, vermittelt das Gefühl, einer einzigen Menschheitsfamilie anzugehören. Das spürt auch Kerstin. Sie hilft einer afrikanischen und einer asiatischen Studentin, sich im Deutschen besser auszudrücken. Diesen Einsatz erwartet man nicht und er ist alles andere als selbstverständlich. Das bestätigen auch die Worte von Kerstin selbst: »Wir sind alle Individualisten und denken oft zuerst an uns selbst. Aber diese Situation hat mir gezeigt, dass der andere an erster Stelle stehen sollte. So habe ich selbst die Freude erfahren dürfen, die das Evangelium mit dem Geben verbindet

Mit diesen Studierenden habe ich über die Predigt von Papst Franziskus am Palmsonntag, dem Diözesanen Weltjugendtag, gesprochen: »Der Weg des Dienens ist der Weg des Sieges, der uns erlöst hat und uns erlöst, der unser Leben rettet. Ich möchte dies besonders den jungen Menschen sagen, an diesem Tag, der ihnen seit 35 Jahren gewidmet ist. Liebe Freunde, schaut auf die wahren Helden, die in diesen Tagen zum Vorschein kommen. Es sind nicht diejenigen, die Ruhm, Geld und Erfolg haben, sondern diejenigen, die in Selbsthingabe anderen dienen. Fühlt euch berufen, euer Leben einzusetzen. Habt keine Angst, es für Gott und die anderen zu geben, ihr werdet dabei gewinnen! Denn das Leben ist ein Geschenk, das einem zuteilwird, wenn man sich selbst hingibt; und die größte Freude besteht darin, Ja zu sagen zur Liebe, ohne Wenn und Aber. So, wie Jesus es für uns getan hat.«

Lorella

Links:

Zeitschrift Auf den Wegen des Exodus (PDF)

 

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