Mehr als Worte

26.09.2020
Stuttgart (D)
von Claudia Morales
Kirche, Junge Erwachsene

In unserer Gemeinschaft in Stuttgart leben auch Claudia und Melanie. Sie sind gemeinsam mit der Hochschulpastoral unter international Studierenden tätig, ähnlich wie Lorella in Hohenheim, von der wir im letzten Heft berichtet haben. Seit Beginn der Corona-Pandemie erleben sie zusammen mit den jungen Leuten ganz neu wie hilfreich es ist, mit anderen über persönliche Erfahrungen, Schwierigkeiten und Fragen des Alltags wie auch über den Glauben sprechen zu können.

Mit dem Lockdown im Frühjahr erwiesen sich die Kommunikationsmittel der digitalen Welt wie nie zuvor als großartige Möglichkeit der Vernetzung und des Miteinanders. Auch wir befassen uns verstärkt damit, um in dieser Zeit der Isolation, Austausch und Gemeinschaft erfahrbar zu machen. Gleichzeitig stellen wir fest, dass echte, unmittelbare Begegnung von Mensch zu Mensch durch nichts ersetzt werden kann und dass viele sich
mehr denn je danach sehnen.

Soweit die Corona-Situation es erlaubt, treffen wir uns deshalb mit den Studierenden nicht nur virtuell. Und jedes Mal ist die Freude groß. Manche begegneten sich im Sommer zum ersten Mal, hatten aber den Eindruck sich schon zu kennen, weil sie über Skype zuvor bereits Kontakte geknüpft hatten/ sich bei den online-Treffen bereits gesehen hatten.

Es überrascht uns immer wieder, wie wichtig für viele junge Christen aus anderen Ländern die wöchentliche Eucharistiefeier ist. Gleichzeitig bedauern sie es sehr, dass beim Gottesdienst kaum junge Leute anzutreffen sind und dass man niemanden kennenlernen kann. Deshalb verabredeten wir uns jeden Samstagabend, um gemeinsam an der englischsprachigen Messe teilzunehmen. Anschließend blieben wir meistens noch beisammen und kamen miteinander ins Gespräch. Dabei wurde der Wunsch geäußert, immer auch über das Tagesevangelium zu sprechen und es mit dem eigenen Leben zu verbinden.

Im Hören wird uns immer mehr bewusst, dass »das Wort Gottes nicht leer zu Gott zurückkehrt, ohne das zu erreichen, wozu es ausgesandt wurde« (Jes 55, 10f). Es ist das Mensch gewordene Wort, das sich als geteiltes Brot in der Eucharistie verschenkt. Es hat die Kraft, uns dem Evangelium entsprechend zu verwandeln.

»Meine Seele preist den Herrn… Großes hat der Herr an mir getan« (Lk 39-56)

Gott zu »preisen« bedeutet, ihn groß sein zu lassen, ja, ihn als erste Größe im Leben anzuerkennen. Die Gegenwart Gottes schenkt tiefe Freude. Und dieser unendlich große Gott ist ein Freund der Kleinen und den Schwachen besonders nahe. Wenn wir so wie Maria uns an das Große erinnern, das Gott vollbringt, dann weitet sich unser Herz und unsere Freude wächst (Homilie von Papst Franziskus am 15. August 2020).
Bei einer der Gesprächsrunden sagte jemand: »Wie für Maria hat Gott einen Plan für jede und jeden von uns. Viele Situationen in meinem Leben haben mir geholfen, nach und nach die Spuren Gottes zu erkennen. Nichts passiert zufällig, Gott lenkt unsere Geschichte.« Dankbar für diese Möglichkeit zum Austausch stellte eine Studentin die Frage: »Oft hören wir beim Gottesdienst das Wort Gottes, aber während der Woche verlieren wir es aus dem Blick, wir vergessen es. Wie können wir uns helfen, damit Gottes Wort in uns bleibt?«

»Ihr aber, für wen haltet ihr mich? … Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!« (Mt 16,13-20)

»God is alive«, »Gott lebt«, wiederholte ein junger Iraner, während er uns aus seinem Leben erzählte und davon, wie er dem christlichen Glauben begegnet ist. Er stammt aus einer muslimischen Familie. Eines Tages hat er von Jesus geträumt. Es war in einer Zeit, in der er mit großen Schwierigkeiten konfrontiert war. Im Traum sagte Jesus zu ihm, dass er keine Angst zu haben brauchte. Dieser Traum hat sein Leben verändert und er ist jetzt auf dem Weg, den christlichen Glauben kennen zu lernen. Er begann in die Kirche zu gehen und dort zu beten, obwohl ihm alles ganz neu war. Sein Wunsch war, mehr über Jesus zu erfahren, den er als den »Sohn des lebendigen Gottes« entdeckt hat. Er möchte die Worte des Evangeliums vertiefen, sich davon ansprechen und sie im Alltag wirken lassen. »Das Wort Gottes schenkt mir tiefen Frieden. Gott ist der Friede«, sagte er uns.

»Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will,
wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es finden« (Mt 16,21-27)

Unter den Studierenden sind junge Menschen aus dem Irak, dem Iran, aus Syrien und Pakistan – also aus Ländern, in denen Christen nur eine Minderheit sind. Es ist beeindruckend, wie sie den Glauben erleben: nicht nur als äußeren Ritus, sondern als etwas Lebendiges, das alle Facetten ihrer Existenz prägt. Einer von ihnen sagte uns einmal: »Das Leben mit Gott und das Leben ohne Gott sind zwei völlig unterschiedliche Dinge«. Diese Studierenden sind froh, jetzt in einem christlichen Land zu leben, wo sie frei sind, ihren Glauben zu praktizieren und ihn auch öffentlich ausdrücken dürfen. In ihrer Heimat müssen sie dafür viel riskieren.

»Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen« (Mt 18,15-20)

Wie viel Begegnung ergibt sich einfach spontan! Und wie viel Kreativität ist dabei im Spiel, wenn es um Austausch und Teilen geht. Das ist echter menschlicher Fortschritt!
Und bei all unserer Verschiedenheit entdecken wir, wie froh es macht, dass wir eine gemeinsame Sprache sprechen: Es ist nicht nur Englisch, mit dem wir uns verständigen, sondern es ist die Sprache unseres Herzens. Denn »jeder kann die Sprache der Liebe gut verstehen1«.
Neue Freundschaften sind am Entstehen. Dabei erleben wir es immer wieder, dass gerade der ›Kleinste‹ vieles bewirken kann. Der oder die ›Kleinste‹ ist in diesem Fall oft jemand, der ganz neu angekommen ist, der die größten Schwierigkeiten mit der Sprache hat, oder der einem ganz anderen Kulturkreis angehört. Und gemeinsam mit ihm wird Gottes Wort lebendig: »Ich bin mitten unter euch« (vgl. Mt 18,20).

Claudia

1. Liberami le ali. Maria Grazia Luise, Scalabrini-Säkularinstitut, Scalabrini-Band

Links: Zeitschrift Auf den Wegen des Exodus (PDF)

Ähnliche Blogartikel

30.04.2024
Stuttgart

CdS Stuttgart, Kirche, Junge Erwachsene

Monatstreffen im Centro di Spiritualità

Scalabrinis und junge Erwachsene verschiedener Nationalitäten begannen mit dem Gemeindegottesdienst in St. Nikolaus das Monatstreffen

Weiterlesen

31.03.2024
Stuttgart

CdS Stuttgart, Kirche, Junge Erwachsene

Monatstreffen im Centro di Spiritualità

„Kommt und ihr werdet sehen“ (Johannes 1,35-42a)🗝
„Come and you will see“ (John 1:35-42a)🗝

Weiterlesen

31.01.2024
CD México

CIMS Mexiko Stadt, Junge Erwachsene

Encuentros internacionales en el CIM-S

Centro Internacional Misionero Scalabrini

Weiterlesen