1961 - 2021: Wir feiern ein Jubiläum

25.07.2021
von Maria Grazia Luise
Aktuell, Kirche

In diesem Jahr feiert unsere Gemeinschaft, das Scalabrini-Säkularinstitut, am 25.Juli sein 60-jähriges Bestehen.
Der Ursprung liegt in Solothurn (CH).

Alles begann am 25. Juli 1961. Damals sprach Adelia Firetti in der Kirche des Heiligen Geistes in Solothurn ihr bedingungsloses Ja zu Gott.  Dass daraus eine Gemeinschaft entstehen könnte, die an Ostern 1990 von der Kirche offiziell als Säkularinstitut anerkannt werden würde, hätte Adelia sich damals nicht vorstellen können.

Wir sind Gott dankbar, wie er unsere Gemeinschaft in all diesen Jahren begleitet hat. Immer wieder hätte alles zu Ende gehen können. Stattdessen schlossen sich nach und nach weitere junge Frauen an, um in der Nachfolge Jesu als Migrantinnen mit Migranten unterwegs zu sein. Von Anfang an solidarisierten sich mit uns und untereinander viele Freunde auf den Wegen des Exodus. Mit großer Dankbarkeit sind wir auch vielen Scalabrini-Missionaren verbunden, allen voran P. Gabriel Bortolamai, der uns seit der ersten Stunde bis heute begleitet. Achtsam und besonnen trug er viel zum Entstehungsprozess unserer Gemeinschaft bei. Er half mit, dass sich das Geschenk dieses Charismas in Adelia und den ersten jungen Frauen frei entfalten konnte.

Die kleine Gemeinschaft lebte nach dem Gedankengut von Bischof G.B. Scalabrini (1839-1905), er hatte eine prophetische Vision der Migration und folgte einer Spiritualität der Menschwerdung. Am 4. Juli 1966 bestätigte dann Pater Giulivo Tessarolo, damaliger Generalpater der Scalabrini-Missionare, den ersten Kern unserer Gemeinschaft als neue und eigenständige Form geweihten Lebens innerhalb der Scalabrini-Familie.

Ermutigung und Bestätigung für unseren eingeschlagenen Weg fanden wir immer auch in der Diözese Basel.
Mit vertrauensvollem und tatkräftigem Rat standen uns ihre Bischöfe und Generalvikare zur Seite.
Wir denken dabei an Weihbischof Anton Hänggi und seinen Generalvikar Alois Rudolf v. Rohr, die zusammen mit dem Franziskaner und Kirchenrechtler P. Alcuin Stillard den Entstehungsprozess unserer Konstitutionen förderten und begleiteten.

Es war dann Bischof Otto Wüst, der unsere Konstitutionen nach Rom sandte. Am 25. März 1990 erhielten wir von der »Päpstlichen Kongregation für das Gottgeweihte Leben« die Antwort, dass das Charisma der Missionarie Secolari Scalabriniane als echte und dauerhafte Gabe anerkannt worden war. An Ostern, am 15. April 1990, wurde dann unser Säkularinstitut errichtet.

Danken möchten wir aber auch den vielen Migrantinnen und Migranten, unseren Wegbegleitern, ja, allen Menschen unterschiedlichen Alters, Herkunft und Sprache, mit denen wir den Alltag teilen oder deren Wege die unseren kreuzen. Sie sind zu »Freunden auf den Wegen des Exodus« geworden. Gemeinsam ist uns die Sehnsucht nach einer universalen Geschwisterlichkeit. Aus diesem Wunsch heraus entstanden die unterschiedlichsten Bildungsangebote, um in einer »katholischen«, also weltumfassenden (nicht im konfessionellen Sinn verstanden) Mentalität zu wachsen, die niemanden ausschließt. Jährliche Höhepunkte waren die beiden Scalabrini-Feste jeweils in Solothurn und in Stuttgart.

Auf den Spuren Jesu

Die Nachfolge Jesu versetzt uns mitten in die Welt der Migrantinnen und Migranten. Wir leben sie auf dem Weg der Gelübde der Armut, der Ehelosigkeit und des Gehorsams.  Dieser »Exodus im Glauben« ist nicht nur ein Zurücklassen.

Er öffnet uns für ein neues Leben, er weitet uns für die ganze Menschheit. Gemeinsam lernen wir, wie wir in unserer Verschiedenheit an Herkunft und Geschichte, an Sprachen und Einstellungen… versöhnt miteinander leben können. Aus dieser Erfahrung heraus dürfen wir zusammen mit vielen anderen Wege des Friedens gehen.

Im Osterereignis steckt zutiefst ein »Exodus im Glauben«: die Liebe hat den Tod besiegt. Am Ende steht das Leben. Im Kleinen dürfen wir diese lebensschaffende Dynamik immer dann erfahren, wenn wir uns selbst vergessen, wenn wir loslassen, wenn wir aus uns selbst herausgehen. Migrantinnen und Migranten können darin einen Sinn für ihren oft schmerzvollen Weg finden. Aber alle sind wir unterwegs auf ein Ziel zu: auf das Leben, auf das verheißene Land.

Und gemeinsam unterwegs, kann sich unser Leben schon heute weiten, indem wir einander in unserer Verschiedenheit wertschätzen, indem wir uns einander zugehörig fühlen über alle menschlichen Grenzen hinweg. Bischof Scalabrini sah in dieser Dynamik die Vorsehung Gottes. Selbst durch Katastrophen hindurch, so sagte er, gehen wir auf ein gemeinsames Ziel zu. Dort, in Gott, werden alle Völker zu einem einzigen Volk, alle Familien zu einer einzigen Menschheitsfamilie zusammenfinden.

Und was kann uns bereits heute helfen?

Manchmal genügt ein wertschätzender Blick. So können selbst Fremde zu einer geschwisterlichen Beziehung finden. Überraschendes wird möglich! Offen zu sein für Neues, nicht an sich selbst hängen, das schafft Freiraum, damit der Geist Gottes wirken kann. Das ermöglicht wahren Fortschritt. Es ist nicht die Kultur, nicht die Mentalität, die uns definiert. Als suchende Menschen leben wir in Dynamik. Jeder Schritt auf den anderen zu, ist eine Bewegung vom Ich zum Du.
Ein wirkliches ›Fort-Schreiten‹ - und dies nicht trotz, sondern wegen unserer Verschiedenheit an Kulturen, Mentalitäten und religiösen Haltungen. Am Ende finden wir uns alle als Geschwister wieder, als Brüder und Schwestern des einenGottes-Volkes.

Migrantinnen und Migranten haben daran einen wesentlichen Anteil. Sie sind nicht nur Weggefährten, sondern sie wirken gleichsam wie Katalysatoren – vor allem diejenigen, die am Rande unserer Gesellschaft stehen: Menschen in Sammelunterkünften oder in Gefängnissen. Immer wieder durften wir mit jungen Leuten die Erfahrung machen, dass durch die Begegnung mit Menschen auf der Schattenseite des Lebens etwas Unerwartetes entsteht: Solidarität und die Suche danach, das eigene Leben für eine gerechtere, menschlichere Welt einzusetzen. Umgekehrt schöpfen die Anderen neue Hoffnung, sehen in den jungen Leuten eine Ermutigung für die Zukunft. So ist der eine für den anderen eine Hilfe. Und letztendlich wächst eine menschlichere Welt heran, in der soziale Gerechtigkeit und gegenseitige Wertschätzung, Mitverantwortung und Freundschaft aufblühen und reiche Frucht bringen.

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